Können Permissions verfallen?
Rechtsanwältin Justyna Rulewicz im Interview

Rechtsanwältin Justyna Rulewicz

rabbit eMarketing: Eine gültige Permission ist eine wichtige Voraussetzung für rechtssicheres E-Mail-Marketing. Immer wieder hört und liest man jedoch, dass eine Permission auch verfallen kann. Stimmt das? Hat eine einmal erteilte Permission tatsächlich ein Verfallsdatum?
Justyna Rulewicz: Hier kann die Lieblingsantwort aller Jurist*innen herangezogen werden: Es kommt drauf an! Wie so oft bei der rechtlichen Bewertung kann diese Frage nicht pauschal beantwortet werden, sondern vielmehr einzelfallbezogen unter Berücksichtigung von verschiedenen Einzelfaktoren. Grundsätzlich gilt aber: Die Zulässigkeit einer Einwilligung in den Erhalt von Werbe-E-Mails richtet sich nach den Vorgaben der DSGVO, in Deutschland aber insbesondere nach den Vorgaben des Wettbewerbsrechts (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb / „UWG“). Beide Rechtsordnungen enthalten keine spezielle Regelung hinsichtlich der zeitlichen Gültigkeit einer rechtskonform eingeholten Einwilligung. Die Einwilligung ist eine Willenserklärung, die grundsätzlich ohne eine zeitliche Komponente oder Begrenzung abgegeben wird. Dies hat auch der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 01.02.2018 (III ZR 196/17) so gesehen. In dem Urteil heißt es:
„Eine zeitliche Begrenzung einer einmal erteilten Einwilligung sieht weder die Richtlinie 2002/58/EG noch § 7 UWG vor. Hieraus ergibt sich, dass diese – ebenso wie eine Einwilligung nach § 183 BGB – grundsätzlich nicht allein durch Zeitablauf erlischt.“
rabbit eMarketing: Wenn eine von einer Person bewusst erteilte Permission also kein Mindesthaltbarkeitsdatum hat, wie kommt es dann zu der weit verbreiteten Annahme, dass sie doch verfallen kann?
Justyna Rulewicz: Wie wir schon im Rahmen der ersten Frage geklärt haben, enthält weder die DSGVO noch das UWG eine zeitliche Befristung im Hinblick auf die Gültigkeit von Einwilligungen. Zum Teil wird in der juristischen Literatur vertreten, dass die Einwilligung dennoch ein „Ablaufdatum“ haben müsse, um die Rechte der Betroffenen zu wahren. Die Auffassung überzeugt – nach meiner Einschätzung und auch der herrschenden Meinung – nicht. Der Betroffene hat nach dem Gesetz ein jederzeitiges Widerrufsrecht, durch das er bereits ausreichend geschützt wird. In der Einwilligung und in der Datenschutzerklärung wird (bzw. sollte) auf dieses Recht ausdrücklich hingewiesen, so dass der Betroffene auch weiß, wo und wie er seine Rechte geltend machen kann.
Es gibt jedoch einen wichtigen Punkt, der in diesem Zusammenhang beleuchtet werden sollte: Die obigen Ausführungen beziehen sich jeweils auf Einwilligungen, die seit ihrer Einholung auch genutzt wurden, um den Betroffenen Werbe-E-Mails zuzusenden! Die Gerichte mussten sich in der Vergangenheit bereits wiederholt mit dieser Thematik befassen und haben die Rechtslage – knapp zusammengefasst – wie folgt eingeschätzt: Eine einmal erteilte Einwilligung verliert ihre Aktualität (und damit Wirksamkeit), wenn sie nach ihrer Einholung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht genutzt wird, da der Betroffene nach Ablauf eines längeren Zeitraums nicht mehr damit rechnen muss, dass das Unternehmen die Einwilligung noch nutzen wird.
rabbit eMarketing: Wie sieht die Rechtsprechung in dieser Sache denn ganz konkret aus? Welche Gerichte haben dazu relevante Urteile gesprochen und wie sind diese ausgefallen?
Justyna Rulewicz: Leider gibt es hierzu unterschiedliche Aussagen von unterschiedlichen Gerichten, sodass keine verbindliche Empfehlung abgegeben werden kann. Das Amtsgericht Bonn (Urteil vom 10.05.2016 – 104 C 227/15) sprach zum Beispiel von einer Zeitspanne von vier Jahren (zwischen Einholung und Nutzung der Einwilligung). Andere Gerichte ziehen hier enge Grenzen, etwas das Landgericht Berlin (Beschluss vom 2.07.2004 – 15 O 653/03), das die Aktualitätsgrenze bei zwei Jahre sieht, oder das Landgericht München (Urteil vom 08.04.2010 – 17 HK O 138/10) das bei 17 Monaten liegt.
rabbit eMarketing: Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung verfällt eine Permission also nicht. Man könnte aber sagen, dass sie verderben kann und im ungünstigsten Fall sogar Bauchschmerzen aufgrund rechtlicher Konsequenzen drohen, wenn man diese doch nutzt.
Justyna Rulewicz: Richtig. Ich empfehle daher, dass die Unternehmen ihre „Schätze“ nicht in der Schublade verschwinden lassen, sondern zügig nach der Einholung auch mit dem Versand von Werbe-Mails beginnen. Unter Berücksichtigung der oben genannten Gerichtsentscheidungen ist es nicht ratsam, länger als 12 Monate zu warten. Sollte es im Einzelfall so sein, dass das Unternehmen noch keine richtige bzw. abschließende Werbestrategie hat, sondern diese erst aufgebaut werden soll und man hierfür vorsorglich bereits Einwilligungen eingeholt hat, empfehle ich, dass dennoch zumindest gelegentlich (alle paar Wochen) ein kleines Mailing verschickt wird, um die Einwilligung „am Leben zu erhalten“.
rabbit eMarketing: Wie sieht nun die Empfehlung der Expertin aus? Wie sollten Unternehmen mit E-Mail-Adressen umgehen, bei denen die Permission schon länger zurück liegt und die seit mehreren Monaten nicht mehr genutzt wurden?
Justyna Rulewicz: Liegt zwischen der (rechtskonformen) Einholung und der Nutzung der Einwilligung ein Zeitraum von 1 bis 12 Monaten, kann die Einwilligung in der Regel genutzt werden. In diesen Fällen empfehle ich, zeitnah ein erstes Mailing zu versenden, um die Aktualität der Einwilligung abzusichern. Liegt der Einholungszeitraum allerdings schon über zwei Jahre zurück, sollte das Unternehmen Vorsicht walten und die Rechtslage vorsorglich anwaltlich bewerten lassen.
rabbit eMarketing: Vielen Dank für das Interview und die hilfreichen Antworten, Justyna.